(2024)
Die Fotografien der Reihe „Breite Länge“ sind im Zusammenhang mit den folgenden Überlegungen entstanden. Wir leben im sogenannten Anthropozän, einer neuen geologischen Epoche, die 1945 beginnt. Sie ist dadurch definiert, dass vom Menschen erzeugte Stoffe: Plastik, Beton, Nukleotide, eine eigene Schicht in der Erdkruste gebildet haben. Außerdem haben die menschlichen Aktivitäten ein solches Ausmaß erreicht, dass sie nun die grundlegende Funktionsweise des Planeten verändern; Klimawandel, das 6. Massenaussterben und so fort.
Der Mensch ist eine globale geophysikalische Kraft geworden und paradoxerweise ist plötzlich eine Erde ohne Menschen als nahe Zukunft konkret vorstellbar. Auslöser für diese Vorstellung sind globaler Klimawandel, drohender Atomkrieg, Artensterben, politische und soziale Ungerechtigkeit, technologischer Fortschritt. Wir erleben täglich den Collapse und dennoch stellt sich das Gefühl des Unwirklichen, des nicht ganz realen ein. Wird so dick schon nicht kommen.
Wie lassen sich vor dem Hintergrund des Collapse Landschaften, die Natur, die Berge, das Wasser betrachten, die schon hunderte Millionen Jahre vor dem Erscheinen der Menschen da waren und noch hunderte von Millionen Jahren nach deren Aussterben des Menschen da sein werden? Sie bewegen und gestalten sich in zeitlichen Dimensionen, die in ihrer Dauer und Langsamkeit für Menschen weder erlebbar noch begreifbar sind.
In einem Bild der Serie wird ein Biofilm gezeigt, in welchem Cyanobakterien leben. Vorfahren dieser Bakterien waren schon vor 3,5 Milliarden Jahren auf der Erde zuhause. Forscher gehen davon aus, dass die photosynthetische Aktivität dieser und weiterer anaerober Bakterien CO2 umgewandelt und Sauerstoff als Abgas freigesetzt hat. Die anaeroben Bakterien vergifteten mit dem Sauerstoff ihre eigene Umwelt. Wir dagegen atmen die Abgase dieser Bakterien. Die große Sauerstoffkatastrophe, der Prozess, die Atmosphäre mit Sauerstoff anzureichern, hat wahrscheinlich 400 Millionen Jahre gedauert. Seit dem Beginn der Industrialisierung vor 250 Jahren kehrt sich diese Entwicklung um.
Alle Bilder der Serie „Breite Länge“ sind an Orten entlang vielbereister touristischer Routen in Neuseeland und Australien entstanden. Auslöser waren Wow-Momente. Der Philosoph Timothy Morton beschreibt in Anlehnung an Kant, die Erfahrung von Schönheit „als den Moment, in dem wir ausrufen ‚Mensch, ist das schön!‘ … Das rührt daher, dass Schönheit einen fantastischen, unmöglichen Zugang auf das Unzugängliche bietet, auf die offenen Qualitäten der Dinge, auf ihre rätselhafte Realität.“ Schönheit lässt sich als Gefühl der Unbegreiflichkeit beschreiben.
Viele Menschen dagegen begreifen Natur als Rohstofflager oder Müllkippe. Lässt sich Landschaft auch betrachten, ohne gleich an deren Nutzen zu denken? Erholung. Ressourcen. Bauland. Gibt es eine Möglichkeit, die Natur in ihrem eigenen Recht wahrzunehmen?
Obwohl die CO2-Emissionen der Reisen nach Australien und Neuseeland (Flug, Transport, Unterkunft etc.) kompensiert wurden, bleibt das Dilemma, dass die Fotografien einem westlichen, Ressourcen vergeudenden Lebensstil sich verdanken. Die Bilder, die im Nothern Territory in Australien aufgenommen wurden, berücksichtigen weder die spirituelle Bedeutung von Landschaft für die dortige indigene Bevölkerung noch deren prekäre Lebenssituation.







Alle Bilder: Lars Reimers, aus der Arbeit „Breite Länge“, (2024)
Bildquellen
- Lars Reimers, Länge Breite (2024/2025) [1]: (c) Lars Reimers
- Lars Reimers, Länge Breite (2024/2025) [2]: (c) Lars Reimers
- Lars Reimers, Länge Breite (2024/2025) [3]: (c) Lars Reimers
- Lars Reimers, Länge Breite (2024/2025) [4]: (c) Lars Reimers
- Lars Reimers, Länge Breite (2024/2025) [5]: (c) Lars Reimers
- Lars Reimers, Länge Breite (2024/2025) [6]: (c) Lars Reimers
- Lars Reimers, Länge Breite (2024/2025) [7]: (c) Lars Reimers